Filmstadt Berlin: Diese Schauplätze berühmter queerer Filme kannst du besuchen!

Als Filmstadt ist Berlin dank Events wie der Berlinale, dem Teddy Award und dem Pornfilmfestival weltweit bekannt (mehr Infos zu Filmfestivals findest du übrigens hier!). Viele berühmte Filme mit queerem Fokus spielen in Berlin oder wurden hier gedreht. Begib dich auf die Spuren von Schauspieler:innen und Regisseur:innen und besuche bekannte Schauplätze auf einem kleinen Streifzug!

Friedrichstraße: "Westler"

Der Film „Westler“, vom schwulen Regisseur und langjährigen Sektionsleiter (Panorama) der Berlinale Wieland Speck, beginnt mit einer Rundfahrt durch Hollywood. Der West-Berliner Felix (Sigurd Rachman) besucht seinen US-amerikanischen Kumpel Bruce. Mit diesem schaut er sich zum Ende seiner Reise das Lichtermeer von Los Angeles an, bevor sie gemeinsam nach West-Berlin zurückkehren, wo Felix für Bruce den Gastgeber gibt. Die Kamera begleitet die beiden auf einen gemeinsamen Tagestrip nach Ost-Berlin: die S-Bahn fährt langsam in den Bahnhof Friedrichstraße ein. Dort sind die Endhaltestelle und der Grenzübergang. Die beiden steigen aus und begeben sich die Treppen hinab, wo die Passkontrolle auf sie wartet. Nachdem sie den Bahnhof verlassen haben, ändert sich der Stil des Films abrupt. Speck hatte keine Drehgenehmigung und filmte die Szenen am Bahnhof und in Ost-Berlin heimlich mit einer Super8-Kamera. „Westler“ wird hier zu einem Stummfilm. Felix und Bruce gehen auf Erkundungstour durch die Stadt. Gänzlich ohne Dialog begegnet Felix im Laufe des Tages ein junger blonder Mann. Die beiden tauschen neugierige Blicke aus, bis Felix am Alexanderplatz in der Nähe der Weltzeituhr schließlich allen Mut zusammennimmt und den Mann anspricht. Sein Name ist Thomas (Rainer Strecker) und er lebt in Ost-Berlin. Zwischen den beiden beginnt eine Liebesbeziehung und Felix fährt nun regelmäßig nach Ost-Berlin, um Thomas zu besuchen. Immer wieder spielt der S-Bahnhof Friedrichstraße eine zentrale Rolle. Die Vopos der Passkontrolleure werden zunehmend misstrauischer aufgrund der vielen Grenzübertritte von Felix. Der S-Bahnhof Friedrichstraße, dessen Grenzübergangsstelle wegen der vielen hier stattgefundenen Abschiede auch Tränenpalast genannt wurde, war von 1961 bis 1990 der zentrale und zugleich einzige Übergang für alle Nationalitäten nach Ost-Berlin. In der Zeit seines Bestehens starben dort circa 200 Personen, meist an Herzinfarkt aufgrund des Stresses der Kontrollen. Heute befindet sich im Tränenpalast ein gelungenes und informatives Museum.

Film: „Westler“
Regie: Wieland Speck (D, 1985)
Trailer "Westler"

Ort: Friedrichstraße, Berlin-Mitte
S + U Friedrichstraße

Hackescher Markt: "Coming Out"

Die Mauer stand noch, als Heiner Carow seinen DEFA-Film „Coming Out“ drehte. Dieser ging als erster schwuler Film der DDR in die Geschichte ein. Er sollte auch der einzige bleiben, da am Tag seiner Premiere die Mauer fiel. „Coming Out“ erzählt die Geschichte des Lehrers Philipp (Matthias Freihof), der sich in der Schule in seine Kollegin Tanja (Dagmar Manzel) verliebt. Das junge Glück gerät jedoch ins Stocken, als Tanja einen Freund einlädt, von dem sie nicht weißt, dass dieser eine ehemalige Liebschaft von Philip ist. Verzweifelt und von Erinnerungen getrieben geht Philip in eine Schwulenbar, wo er Matthias (Dirk Kummer) kennenlernt. Die beiden verlieben sich und Philipp gerät immer weiter in Konflikte – insbesondere als schwuler Lehrer in den späten 1980ern. Der Film war nicht nur deshalb gewagt. In der DDR wurde die Existenz von Neo-Nazis stets dementiert. Philipp wird eines Abends in der S-Bahn Zeuge, als ein schwarzer Mann von Nazis verprügelt wird. Er geht dazwischen und wird selbst zur Zielscheibe und geht leicht lädiert nach Hause. Der Bahnhof, an dem er aussteigt, ist der damalige Marx-Engels-Platz, der 1992 in Hackescher Markt umbenannt wurde. Mit seinem Fahrrad fährt Philipp an der heutigen Ecke Münzstraße/Neue Schönhauser Straße lang. Heute sind dort Bekleidungsgeschäfte, Cafés und viele, überteuerte, touristische Angebote. Ende der 1980er war die Ecke noch unglamourös, dabei aber nicht weniger charmant. In der Nähe lohnt es, das Kino International aufzusuchen. Dort fand am 9. November 1989 die Premiere von „Coming Out“ statt. Zu den runden Jubiläen des Mauerfalls wurde der Film hier in Anwesenheit einiger Beteiligter aufgeführt. Aber auch sonst ist das wunderschöne DDR-Premierenkino immer einen Besuch wert. Montags gibt’s hier immer einen queeren Film in der Filmreihe „MonGay“ zu sehen.

Film: „Coming Out"
Regie: Heiner Carow (D, 1989)
Trailer "Coming Out"

Ort: Hackescher Markt, Berlin-Mitte
S Hackescher Markt

Siegessäule: "Lola und Bilidikid"

Die Siegessäule (hier ist das Denkmal, nicht die Zeitschrift, die nach ihm benannt ist, gemeint) ist eine Art Wahrzeichen für die queere Community Berlins. So ist es nicht überraschend, dass der Film „Lola und Bilidikid“ von Kutlug Ataman gleich zu Beginn die Goldelse (den goldenen Engel oben auf der Spitze der Säule) wie einen Schutzengel über Murat (Baki Davrak) schweben lässt, als er sich in den Tiergarten begibt, der damals wie heute als Treffpunkt für schwule Männer dient. Murat ist 17, schwul und Türke. Sein älterer Bruder ist sehr erpicht darauf, aus dem Jungen einen „richtigen Mann“ zu machen. Die beiden leben mit ihrer Mutter im Kreuzberg der späten 1990er. In dieser Ecke entstand damals eine queere türkische Subkultur, die sich mittlerweile in Partys wie „Gayhane“ im SO36 widerspiegelt. In „Lola und Bilidikid“ findet das queere Treiben der türkischen Bewohner*innen Kreuzbergs noch versteckter statt. Eine Person dieses Nachtlebens ist Lola (Gandi Mukli). Sie ist Dragkünstler und tritt regelmäßig mit zwei Freund*innen auf kleinen Bühnen auf. Lola ist in einer Beziehung mit Bilidikid (Erdal Yildiz), der sein Äußeres klar nach James Dean modelliert hat. Billy, wie ihn sein Umfeld nennt, ist der Inbegriff von toxischer Männlichkeit. Er drängt Lola dazu, sich einer geschlechtsangleichenden Operation zu unterziehen, sodass sie endlich wie ein „richtiges“ Paar zusammenleben können. Lola ist jedoch, anders als eine ihrer Freundinnen, nicht trans*. Der Film thematisiert überdies auch die Fremdenfeindlichkeit der Deutschen gegenüber der türkischen Community und zeigt in spannender, trauriger und herzerwärmender Weise immer wieder menschliche Auswege und viel Humor. Passend zeigt Ataman kurz vor dem Abspann nochmals die Siegessäule, dieses Mal bei Tage, also wolle sie sagen, dass sie stets da sein wird. Die 67 Meter hohe Siegessäule kann (nur zu Fuß) bestiegen werden und bietet vom Plateau unter dem Goldelse-Rock einen sensationellen Blick auf die Stadt.

Film: „Lola und Bilidikid“
Regie: Kutlug Ataman (D, 1999)
Trailer „Lola und Bilidikid“

Ort: Siegessäule, Berlin-Tiergarten
S Bellevue

Badeschiff: "Drei"

2015 führte Sebastian Schipper bei dem im Berliner Nachtleben spielenden Thriller „Victoria“ Regie. Einige Jahre zuvor stand er selbst für Tom Tykwer und sein Dreiecksbeziehungsdrama „Drei“ vor der Kamera. In diesem spielt er Simon, der seit 20 Jahren mit seiner Partnerin Hanna (Sophie Rois) zusammen ist. Die beiden langweilen sich zunehmend in ihrer Beziehung. Dann beginnt Hanna eine Affäre mit Adam (Devid Striesow), den sie auf der Arbeit kennenlernt. Während Hanna ihre neue Schwärmerei genießt, hat Simon einiges an Stress auszuhalten, unter anderem eine Hodenkrebserkrankung. Eines Abends besucht er die Sauna auf dem Winterbadeschiff, wo er Adam trifft, von dessen Affäre mit seiner Freundin er nichts ahnt. Die beiden Männer kommen sich näher und haben Sex in der Umkleide. Eine spannende Dreiecks-Affäre beginnt... Das Badeschiff befindet sich an der Arena in Berlin-Treptow. Es ist ein Süßwasserpool, der auf der Spree schwimmt. An Land gibt es die Möglichkeit, sich auf aufgeschüttetem Sand niederzulassen, oder auf dem Steg, der das Ufer mit dem Badeschiff verbindet in der Sonne zu baden. Das Winterbadeschiff, das aus dem Pool-Erlebnis eine Saunalandschaft macht, fand leider in den letzten Jahren nicht mehr statt. Ein Besuch ist das Badeschiff im Sommer aber alle Male wert.

Film: „Drei“
Regie: Tom Tykwer (D, 2010)
Trailer "Drei"

Ort: Badeschiff
Eichenstraße 4, 12435 Berlin-Treptow
U Schlesisches Tor
Webseite vom Badeschiff

Kottbusser Tor: "Kokon"

Es gibt Szenen, die kann man beim Zuschauen förmlich riechen. „Kokon“ aus dem Jahr 2020 von Leonie Krippendorf hat eine Vielzahl dieser Momente. Der Film spielt im Sommer 2018, einem der heißesten der letzten Jahre. Nora (Lena Urzendowsky) ist 14 Jahre alt und hängt viel mit ihrer älteren Schwester Jule (Lena Klenke) und deren bester Freundin Aylin (Elina Vildanova) ab. Nora und Jule wohnen mit ihrer alleinerziehenden Mutter direkt am Kottbusser Tor – dem Kotti. Eines Nachts sind die beiden hungrig, ihre Mutter, die die meiste Zeit in einer Bar am Kotti verbringt, hat ihnen weder Geld noch Essen in der Wohnung gelassen. Die beiden spazieren in ihren Schlafanzügen über den belebten Platz, wo sich Dönerbuden an Bars an Spätis reihen. Alle, die einmal an einem Sommerabend über den Kotti gelaufen sind, können diese Szenerie quasi körperlich nachfühlen. Der gesamte Film spielt in der Gegend rund um den Kotti. Die heißen Tage verbringt Nora mit ihrer Schwester und deren Freundinnen im Prinzenbad. Dort wird sie auf Romy (Jella Haase) aufmerksam, eine ältere Mitschülerin, die das Leben sehr entspannt nimmt. „Kokon“ begleitet Nora bei ihrem Coming-out. Sie verliebt sich in Romy und die beiden verbringen viel Zeit auf den Straßen Kreuzbergs. Ein Highlight des Films zeigt die beiden ausgelassen beim CSD. Der Kotti ist der stille Protagonist des Films, dessen Darstellung an die des Films „Prinzessinnenbad“ aus dem Jahr 2007 erinnert, der den kultigen Satz „Ich komm‘ aus Kreuzberg, du Muschi“ in das Vokabular der Millennials eingeführt hat. Dies ist auch der Vibe von „Kokon“, deren Figuren geradezu mit ihrer Kreuzberger Umgebung verwachsen sind.

Film: „Kokon“
Regie: Leonie Krippendorf (D, 2020)
Trailer "Kokon"

Ort: Kottbusser Tor, Berlin-Kreuzberg
U Kottbusser Tor

Weitere Informationen

Wollt ihr noch mehr Drehorte queerer Filme in Berlin kennenlernen? Dann hört mal in unsere Stadttour Cabaret- und Coming Out rein: www.place2be.berlin/stadttouren/cabaret-und-coming-out-filmstadt-berlin/coming-out-erster-und-letzter-schwuler-film-der-ddr/

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Texte: Julian Beyer

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